erschienen in Direkte Aktion 220 – November / Dezember 2013
Strafgefangene sind in aller Regel zur Arbeit verpflichtet; auch wenn nun einige Bundesländer Bestrebungen äußern, diese Pflicht abzuschaffen. Der ökonomische Zwang zu arbeiten ist für Inhaftierte besonders groß, denn die Haftanstalten gewähren nur eine minimale Basisversorgung, die Nahrung, Licht und Bett umfasst – und selbst für den Lampenstrom muss Mensch noch zahlen (ca.1,20 Euro im Monat).
Aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1998 mussten die „Löhne“ in den Gefängnissen einige Jahre später erhöht werden. Wurden früher 5% des Durchschnittsverdienstes aller ArbeiterInnen und Angestellten gezahlt, ist seitdem 9% dieses Durchschnittsverdienstes auszuschütten. Jedoch sind die Justiz- und Finanzverwaltungen geschickt darin, diese Erhöhung dadurch zu entwerten, dass vormals kostenfreie Leistungen abgeschafft oder in kostenpflichtige umgewandelt werden – ein Beispiel erwähnte ich schon: die Stromkosten. Wer dann neben der Lampe einen Fernseher, einen Wasserkocher und einen Kühlschrank betreibt, kommt schnell auf über 10 Euro Stromkosten im Monat.
Zudem wurden rigoros die Arbeitsplätze neu „bewertet“, d.h. innerhalb der fünf möglichen Lohnstufen neu eingruppiert. Es versteht sich von selbst, dass fast ausnahmslos eine Abwertung in eine geringer bezahlte Lohnstufe erfolgte. Pro Tag kann einE InhaftierteR in Lohnstufe 3 (dies entspricht 100%) 11,64 Euro verdienen. Bei Lohnstufe 2 (nur 88% des Grundlohns) sind es 10,24 Euro. Wer einen Meisterbrief hat – in der Praxis die Allerwenigsten – erhält in Lohnstufe 5 (entspricht 125% des Grundlohns) 14,55 Euro proTag.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) war sich vor kurzem nicht zu schade, ehemalige Gefangene beim ALG-I-Bezug abzustrafen, in dem das SGB neu ausgelegt wurde. Reichte es bislang aus, der BA nachzuweisen, dass man das letzte Jahr vor dem Tag der Freilassung komplett gearbeitet hat, also keine selbstverschuldeten Fehlzeiten hatte, bekam Mensch anstandslos ALG-I. Nun verlangt jedoch die BA den Nachweis, mindestens 360 versicherungspflichtige Arbeitstage gearbeitet zu haben. Während ArbeiterInnen und Angestellte in Freiheit den ganzen Monat, auch wochenends und feiertags, versichert sind, zahlen die Knäste der BA nur für jene Tage Versicherungsbeiträge in die Arbeitslosenversicherung, an welchen jemand konkret gearbeitet hat; so fallen alle Wochenenden und Feiertage weg – und „freie“ Tage, wenn beispielsweise die Wärter ihre Sportfeste feiern und deshalb Arbeit ausfällt. Faktisch müssen Gefangene nun in den letzten zwei Jahren vor ihrer Entlassung 17,5 Monate gearbeitet haben, um die Anwartschaftszeit für ALG-I zu erfüllen.
Hiergegen Widerstand zu organisieren ist bedauerlicherweise ein aussichtsloses Unterfangen: zum einen ist das Problem das unterentwickelte Klassenbewusstsein der Betroffenen, zum anderen reagieren die Knäste umgehend und rabiat, sobald auch nur Ansätze für kollektives Handeln sichtbar werden. Selbst so reformistische Aktivitäten wie das Sammeln von Unterschriften für eine Petition werden gerne als „versuchte Meuterei“ hochstilisiert, wohlwissend, dass das Nonsens ist. Als Einschüchterungsstrategie funktioniert es jedoch.
In der Sicherungsverwahrung, von der bundesweit „nur“ rund 500 Männer und drei Frauen betroffen sind, wurde der Arbeitszwang faktisch abgeschafft. Da man zugleich, als „Abstand“ zur Strafhaft die Entlohnung nahezu verdoppelt hat (auf 16% des Durchschnittsverdienstes), Verwahrte nun also in Lohnstufe 3 (100% des Grundlohns) 20,70 Euro/Tag verdienen können, wenn sie freiwillig arbeiten, kommt es zu der paradoxen Situation, dass aus wirtschaftlichen Gründen Knäste froh sind, wenn Verwahrte auf eine Arbeitstätigkeit verzichten, da dann die JVA nur rund 100 Euro Taschengeld zahlen braucht, anstatt 450 Euro „Verdienst“ z.B. für das Fegen des Flurs, wenn jemand als Stationsreiniger tätig ist.
Thomas Meyer-Falk
c/o JVA (Sicherungsverwahrung)
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