Nach dem brutalen Neonaziüberfall von Ballstädt (bei Gotha) im Februar 2014, den Naziattacken auf das alternative Wohn- und Kulturzentrum JU.W.E.L in Gotha im letzten Jahr, den kürzlichen Naziübergriffen in der Gerberstraße in Weimar, zahllosen Naziveranstaltungen (NPD Kundgebungen, Lesungen und Demonstrationen) und der tagtäglichen Bedrohung durch Nazis, die vermeintlich „Andere“ erleben, wird es Zeit den aktiven Antifaschismus nach Außen zu tragen.
Das braune Herz Deutschlands.
Am Morgen des 09. Februar 2014 stürmten 20 vermummte, teils mit Schlagringen ausgestattete, Neonazis in die Nachfeier des Ballstädter Kirmesvereins. Sie schlugen sofort und mit äußerster Brutalität auf die letzten noch circa 10 verbliebenen männlichen Gäste ein. Die 10 anwesenden Frauen konnten sich geistesgegenwärtig in den Keller flüchten. Nach 2 Minuten Gewalt verließen die Nazis den Gemeindesaal und hinterließen eine Spur von Blut und Zerstörung. Der Saal wurde teilweise demontiert und noch schlimmer: 10 Menschen wurden verletzt, 2 von diesen sogar schwer, was einen mehrtägigen Krankenhausaufenthalt nach sich zog. Der Angriff ging von einer Geburtstagsfeier von Tony Steinau, Bewohner des „gelben Hauses”, aus. Der Überfall ist jedoch nur eines von weiteren Beispielen, der thüringischen Nazigewalttaten und der Bedrohungen der letzten Monate.
Erst im November 2013 wurde das alternative Wohnprojekt JU.W.E.L. e.V. in Gotha von rechten Fußballhools der BSG Wismut Gera angegriffen. Größere Schäden oder das Eindringen ins Haus konnten nur durch schnelles Handeln der Bewohner_innen verhindert werden. Die Polizei stand in sicherer Entfernung und blickte auf das Schauspiel ohne die gewalttätigen Nazis aufzuhalten. Im Nachhinein verdrehte die Staatsgewalt die Sache natürlich wieder und schob die Schuld auf die ach so gewalttätigen „Linksextremen“, um vom eigenen kläglichen Scheitern abzulenken. Dieser Vorfall ist einer von unzähligen Angriffen welche ständig gegen Wohnprojekte oder linke Freiräume begangen werden.
Das Wohnprojekt Gerberstraße 1/3 in Weimar wurde erst im Januar Opfer eines Naziangriffs. Nach Ende der Veranstaltung betraten 5 Nazis, mehr oder weniger „verkleidet“, das Haus. Nachdem sie einen Besucher rassistisch bedroht und körperlich verletzte hatten, flohen sie schließlich. Das Opfer bedrohten sie später im Krankenhaus erneut. Als der Geschädigte die Polizei nach der Behandlung fragte ob sie Ihn nach Hause fahren könnten, da er mit weiteren Übergriffen zu rechnen hätte, entgegneten diese ihn nur: „Wir sind doch kein Taxiunternehmen.“ Zuletzt marschierten zudem rund 80 Neonazis aus ganz Mitteldeutschland durch die „Klassikerstadt“ Weimar um den „Opfern der alliierten Bombenteppichen“ zu gedenken.
Auch die Antifaschist_innen der Landeshauptstadt Erfurt haben es mit einer ganz neuen Dimension von organisierter Nazistruktur zu tun. Im Erfurter Süden etabliert sich mit der so genannten „Kammwegklause“ ein Neonazitreffpunkt. Dort gibt es alles, was das “nationale Herz” höher schlagen lässt. Eine Kneipe, in der zuletzt Silvester „nationale Liedermacher“ ihr Unwesen trieben, den Neonaziladen „Patriot“ betrieben vom neuen Kreisvorsitzender der NPD Erfurt-Sömmerda und Neonazihool Enrico Biczysko, und neuerdings auch ein NPD Bürgerbüro. Letzteres eröffnete Ende Januar 2014 mit einer Lesung von NPD-Nazi Udo Voigt, der sein neues Buch vorstellte. Bei einem antifaschistischen Stadtrundgang am 08. Februar 2014 wurden die Teilnehmer aus der Kneipe heraus verbal bedroht.
Deutsche Zustände
Dass die Nazis nicht nur eine Randerscheinung sind, sondern aus der rassistischen Mitte der deutschen Gesellschaft entstehen, wird dabei oft vom bürgerlichen Spektrum vergessen. Faschismus und Rassismus finden ihren Ursprung im kapitalistischen System,diesem gilt es, sich entschlossen entgegen zu stellen. Gleichzeitig müssen wir uns auch gegen gesellschaftliche Normalzustände wie Antisemitismus und Patriarchat stellen, nicht zuletzt um den Rückfall in die faschistische Barberei zu verhindern. Dass dies leider kein Konsens in der Gesellschaft ist, zeigt sich unter anderem beim Umgang mit Flüchtlingsunterkünften. Sobald auch nur bekannt wird, das es eventuell eine neue Unterkunft für vertriebene Flüchtlinge im Ort XY geben könnte, organisiert sich rasch deutscher „Widerstand“ bei dem die NPD immer mitmischt. Am Beispiel Beichlingen (bei Sömmerda) ist dies deutlich zu sehen. Neben einer xenophoben „besorgten“ Bürgerbewegung, ließ die NPD rasch, nach dem ersten Bekanntwerden einer möglichen Unterkunft tausende Flugblätter drucken und verteilte diese im gesamten Kreis Sömmerda. Damit stoßen sie beim Opferdeutschen natürlich auf offene Ohren. Einen Schritt weiter sind da die Nazis in Greiz. Dort gibt es bereits eine aktive Unterkunft. Die Bewohner_innen mussten Ende letzten Jahres jeden Freitag bei einem „Fackelmarsch“, eine Mischung aus rassistischem Wutbürgertum und eingessenen Neonazis aus dem Umfeld der freien Kammeradschaften und NPD, ertragen. Die Untergekommenen werden statt mit offenen Armen mit Fackeln empfangen. Unweigerlich schüren die Initiatoren die Angst bei den Geflüchteten und fördern die Gewaltbereitschaft gegen selbige.
Nicht zuletzt weil die Täter meistens straffrei bleiben, wie in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 2013 in Arnstadt. In jener Nacht warfen die beiden Bundeswehrsoldaten Florian Schebaum und Florian Probst aus Arnstadt, Feuerwerkskörper vor das Asylbewerberheim in der Ichtershäuser Straße, beleidigten die Bewohner_innen mit fremdenfeindlichen Beschimpfungen, zeigten den Hitlergruß und demolierten die Kamera, welche am Haus angebracht war, mit einer Zaunslatte. Probst wurde vom Arnstädter Amtsgericht freigesprochen. Lediglich eine Ermahnung hatte der Richter übrig. In dessen sprach er vom “vorsichtigen Umgang mit Fremdenfeindlichkeit” gerade, weil sie als Bundeswehrsoldaten das Image der Bundesrepublik schädigen können.
(Un-)Gelöste Probleme
Mit den Worten „Das Problem hat sich ja einigermaßen gelöst.“ verwies Thomas Schulz (Extremismusexperte vom Verfassungsschutz Thüringen) auf das Nazizentrum „Hausgemeinschaft Jonastal“ in Crawinkel, dessen Bewohner ja nun beinahe komplett nach Ballstädt gezogen sind. Diese Worte von Schulz sind der blanke Hohn für alle Opfer aus Ballstädt sowie alle anderen Opfer von rechter Gewallt. Und genau hier liegt das Problem: es geht vordergründig nicht darum wo die Nazis wohnen sondern, dass es sie überhaupt gibt. Dort wo Neonazis ihre Propaganda verbreiten, Menschen angreifen und Angstzonen etablieren ist Widerstand mehr als nur angebracht. Solange aber der gesellschaftliche Nährboden bestehen bleibt, bleiben uns leider auch die Nazis erhalten. In einer Gesellschaft, welche die Nazis akzeptiert, solange sie nicht neben an wohnen, wird sich nichts verändern. Eine weitere Frage drängt sich unweigerlich auf: Auf welcher Seite würden die Menschen stehen, wenn anstatt eines Nazihauses, eine Flüchtlingsunterkunft im Ort entstehen würde? Leider kann nicht ausgeschlossen werden, dass aus den selben vermeintlichen Nazigegnern auf einmal „besorgte“ deutsche Wutbürger werden würden, wie es in Greiz der Fall ist.
Die Konsequenz dessen kann und muss eine aktive und solidarische antifaschistische Haltung gegen den Naziterror und den alltäglichen Rassismus sein. Doch dies setzt unweigerlich eine Kritik an den Verhältnissen, aus denen Nazis entstehen voraus. Kurz gesagt eine linke, jedoch nicht regressive, Kapitalismuskritik. Wir kämpfen für ein solidarisches Miteinander aller Menschen, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung, Hautfarbe oder Herkunft, für eine Gesellschaft jenseits kapitalistischer Ausbeutung und Zurichtung. Eine emanzipatorische Politik welche der Blut und Boden Ideologie der Nazis entgegen wirkt. Deswegen ist die Gleichsetzung von “Rechts” und “Links” abzulehnen, welche nicht nur vom VS betrieben wird, sondern auch ein Großteil der Gesellschaft mitträgt. Es gibt hierbei keine Differenzierung der Gewalt, die von Nazis ausgeht und Aktionen, die zur Verhinderung dieser betrieben werden.
JETZT ERST RECHT!
Aktiv und solidarisch gegen Naziterror und alltäglichen Rassismus!
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