Notizen aus der Sicherungsverwahrung

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In der Freiburger Sicherungsverwahrungsanstalt gibt es mal kleinere, mal größere Dramen und Probleme, aus diesem Alltag heute ein paar Stichpunkte.

1.) Die verweigerte Buch-Annahme

Hauptsekretär M., seines Zeichens stellvertretender Bereichsdienstleiter ordnete vor ein paar Wochen an, einen Brief von Uwe Neubauer (bekannt als „Stimme der Gefangenen“, da er unermüdlich durch die Republik reist und in Lesungen aus Texten von lebenden und toten Inhaftierten vorträgt) zurück zu senden, denn er – Hauptsekretär M. – habe anhand des Kuverts „erfühlt“, es müsse sich ein Buch darin befinden und eine derartige Zusendung sei verboten.

Zwischenzeitlich räumt sein Dienstvorgesetzter, Oberrigierungsrat R. gegenüber dem eingeschalteten Gericht ein, man habe hier falsch gehandelt, denn schon 2010 hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden, das einem Brief beiliegende Buch müsse einem Gefangenen ausgehändigt werden, es sei denn der Buchinhalt selbst stelle z.B. eine Gefahr für die Sicherheit dar (bsp. ein Buch das Tipps zum Bombenbau geben würde).

Künftig, so Herr M. werde man dies anders handhaben und auch beiliegende Bücher aushändigen. Insofern mal eine erfreuliche Entscheidung.

2.) Datenschutz im Alltag der Sicherungsverwahrung

Gefängnisse sind Gemeinschaften in welchen jedes Informationsfitzelchen sofort verwertet, diskutiert und verbreitet wird. Eigentlich ist die Vollzugsanstalt verpflichtet den Datenschutz zu beachten, nur im Alltag klaffen Theorie und Praxis mitunter weit auseinander.

Bislang war es so, dass bei Zustellungen von Behördenpost die Verwahrten in einem gesonderten „Zustellheft“ den Empfang der Postsendung bestätigen mussten.

Dabei konnten sie dann sehen wer vor ihnen, wann und von wem Gerichts- und Behördenpost erhalten hatte. Nach einer Beschwerde wurde diese Verfahrensweise, die hier seit Jahrzehnten üblich war, beendet.

In einem gerichtlichen Verfahren des Sicherungsverwahrten A. legte die Anstalt dem Gericht eine Liste aller Namen von Verwahrten vor, die anstatt die Anstaltsverpflegung zu sich zu nehmen, lieber die 68 € „Verpflegungs-Zuschuss“ in Anspruch nehmen. Hier bat nun der Landtag, bzw. im Vorfeld schon das Justizministerium die Haftanstalt künftig, mit der notwendigen Sorgfalt den Datenschutz zu beachten, denn die Vorlage der Namensliste, die dann auch dem verwahrten A. übersandt wurde, war rechtlich unzulässig.

3.) Jurist der JVA verwendet Frakturschrift

In seiner Verfügung vom 11.11.2013, mit der Oberregierungsrat R. gegenüber einem Sicherungsverwahrten begründete, weshalb dieser die zuvor beschlagnahmten CDs mit rechtsradikaler Musik nicht erhalte, verwendete Herr R. die Designschriftart „old English Text MT“, einer so der Landtag, „Glyphenvariante“ welche zur „Schriftart der Frakturschriften“ zähle.

Der Anstaltsjurist, so der Landtag, sei „über jeden auch nur geringsten Zweifel erhaben, mit einer zum rechten Spektrum zuzurechnenden Gesinnung zu sympathisieren“ (vgl. http://www.landtag-bw.de dort dann unter „Drucksachen die Drucksache 15/4936 und dort dann wiederum die Petition Nr. 17 mit Nummer 15/3405). Dessen ungeachtet habe man die Leitung der Anstalt gebeten, künftig die üblichen Schriftarten zu verwenden.

4.) „ Dann sterbe ich hier! Ihr seid Mörder! Mörder!“

So äußerte sich Herr J., ein seit über 10 Jahren sicherungsverwahrter Insasse, als er erfuhr, dass auch das Oberlandesgericht Karlsruhe die Fortdauer der SV billigte. Eigentlich verstößt in Fällen wie bei Herrn J. die BRD gegen Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, denn Herr J. wurde vor der Reform 1998 verurteilt; erst damals wurde die Sicherungsverwahrung von maximal 10 Jahre auf faktisch „lebenslang“ verlängert. Da dies auch rückwirkend galt, stellte der Gerichtshof einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention fest.

Die für Herrn J. zuständige Psychologin, Frau Dr. S. gab nun eine weitere Stellungnahme zu seinem Fall ab; sie fand es berichtenswert, daß dessen Zellenvorhang Tag und Nacht geschlossen sei, er regelmäßig dusche, aber ansonsten in eher zerfledderter Kleidung seine Tage verbringe. Die Zelle gleiche einen „Raucherhöhle“ auf Grund starken Tabakkonsums, außerdem neige Herr J. dazu verbal ausfällig zu werden, wenn er frühmorgens von Beamten, wenn die Zelle geöffnet und geprüft würde, ob er noch lebe, geweckt werde. Offenbar persönlich getroffen fühlt sich Frau Dr. S. von den Vorwürfen des Herrn J. sie sei eine – Zitat- „Mörderin“ und wenn er sie als „Frau Dr. Mengele“ tituliert, ansonsten jedoch jedes Gespräch ablehnt.

Liest man ihre Stellungnahme so zeichnet sie das Bild eines zumindest verbal hochaggressiven, uneinsichtigen, sich in Beschimpfungen flüchtenden, psychisch auffälligen Untergebrachten, der völlig zu recht weiterhin hinter Gittern gehalten wird.

Das ist die typische und sehr einseitige Sichtweise des Vollzugs und letztlich der Gerichte. Zu erkennen, daß hier ein Mensch schlicht und ergreifend unter Verstoß gegen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte seiner Freiheit beraubt wird und dieser auf Grund seines Bildungsstandes nicht das gepflegte, hoch geistige Niveau einer promovierten Psychologin befriedigt, in dem er in gesetzten Worten seiner Hilflosigkeit, Wut, Frustration und Enttäuschung Luft verschafft, dies einzusehen und anzuerkennen, dazu fehlt es dem Personal an Empathie, sozialer Kompetenz und wohl auch an echtem Interesse.
Inhaltlich ist der Vorwurf, Frau Dr. S. sei eine Mörderin oder eine Dr. Mengele-2.0 selbstverständlich unzutreffend; denn Frau Dr. S. tötet keine Menschen und selektiert sie auch nicht für die Vergasung. Das Menschen mit zumindest gutbürgerlichem, mittelschichts-orientierten Hintergrund solche Anwürfe dann abtun als völlig haltlose Beleidigungen eines Angehörigen der Unterschicht verdeutlicht die Klassengegensätze, denn bei vorurteilsloser Beurteilung und Analyse der Vorwürfe, käme man zu dem Ergebnis, es handele sich dabei um die in der Sprache und den Denkmustern des Herrn J. zu Worten geronnenen Emotionen und Wahrnehmungen seiner Situation, für die er wesentlich mitverantwortlich macht, besagte Frau Dr. S.

Im privaten Bekanntenkreis müsste man sich solche Anwürfe gewiss nicht bieten lassen und könnte entsprechende Personen „in die Wüste schicken“, wer jedoch seinen Lebensunterhalt damit verdient, Menschen zu resozialisieren, der muss auch mit solchen Aussagen wie jenen des Herrn J. professionell umgehen. Dazu gehört dann, diese Aussagen in den Zusammenhang einzuordnen und nicht nur auf Grund des formalbeleidigenden Inhalts jegliche Auseinandersetzung und auch selbstkritische Reflexion zu verweigern.

Sollte sich an der Gesamtsituation nichts ändern, wird Herr J. möglicherweise tatsächlich hinter Gittern sterben müssen!

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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