Wir rufen für die Tage vom 20. – 22. Juni zu solidarischen Aktionen mit Marco Camenisch auf, der seit 1991 ununterbrochen in Italien oder der Schweiz im Gefängnis sitzt. Marco ist ein ungebrochener grün-anarchistischer Revolutionär mit einer politischen Geschichte, die zurück in die 1970er-Jahre reicht. Wegen Sprengstoffangriffen gegen Hochspannungsleitungen wurde er erstmals inhaftiert, ihm gelang die Flucht. Erst nach Jahren in der Illegalität wurde er 1991 in Italien bei einer Personenkontrolle verhaftet, er sass dort bis 2002 im Knast. Verurteilt wurde er unter anderem wiederum wegen militanten Aktionen gegen Hochspannungsleitungen. 2002 wurde er dann in die Schweiz ausgeliefert, wo er einerseits die Reststrafe seiner allerersten Verurteilung abzusitzen hatte, andererseits aber wegen dem Tod eines Grenzwächters verurteilt wurde. Marco hat immer wieder wiederholt, dass es nicht sein Toter ist.
In den vergangenen 24 Jahren hat Marco seine politische Identität nicht abgelegt, er kommuniziert mit zahlreichen Leuten auf der ganzen Welt, beteiligt sich an politischen Initiativen und unterstützt so den revolutionären Prozess aus dem Knast heraus. Dieser Fakt ist denjenigen, die über Schritte der Vollzugslockerungen zu entscheiden haben, ein Dorn im Auge. Immer wieder verweigern sie jeden Schritt in Richtung Freiheit, zur Begründung wird immer wieder herangezogen, dass er eine “delinquenzfördernde Weltanschauung” vertritt. Im Klartext: Er kommt nicht raus, weil er Anarchist ist und bleibt. Diese Argumentation wird sowohl vom zuständigen Amt für Justizvollzug des Kanton Zürich wie von den Gerichten stets wiederholt, wenn eine Entscheidung in seinem Fall einsteht.
Ein Faktor in dieser Auseinandersetzung ist zweifelsohne seine politische Identität an sich, das heisst der Angriff gegen Marco ist selbstverständlich in der allgemeinen politischen Auseinandersetzung anzusiedeln, wo es dem bürgerlichen Staat auch darum geht, an kämpfenden Subjekten ein Exempel zu statuieren. Sie hoffen damit abzuschrecken, gleich wie in anderen Fällen von Langzeitgefangenen (wie Mumia Abu-Jamal oder Georges Ibrahim Abdallah), die aufgrund ihrer politischen Identität nicht rauskommen.
Ein anderer Faktor, der im Zusammenhang mit Marco speziell ist, ist aber die zunehmende Rolle der forensischen Psychiatrie im Strafvollzug. Während in anderen Fällen von Langzeitgefangenen klar und offen politisch argumentiert wird, dass jemand nicht rauszulassen sei (wie im Fall von Georges Ibrahim Abdallah), bedient sich das Amt für Justizvollzug einer psychiatrischen Argumentation. Massgeblicher Verantwortlicher dafür ist Frank Urbaniok. So kleidet sich dann der politische Angriff in Begriffen der Psychiatrie, redet von Aufarbeitung und Bewältigung. Dabei ist klar: Eine politische Identität ist nichts, was sich psychiatrisch verhandeln lässt. Anarchist zu sein, ist kein psychisches Problem.
Dies hat sich auch in der jüngsten Entwicklung in Marco’s Fall gezeigt. Aufgrund eines Urteils des obersten Gerichts der Schweiz musste das zuständige Amt prüfen, ob allfällige Vollzugslockerungen möglich seien. Ein Teil dieser Untersuchung ist ein sogenannter “Risikoorientierter Sanktionenvollzugs-Bericht”, kurz ROS. Dabei wird von ausgebildeten PsychiaterInnen über mehrere Seiten hinweg evaluiert, wie gross das Risiko bei Lockerungen ist. So erhält die Psychiatrie einen massiven Stellenwert im Vollzug. Da Marco die Psychiatrisierung seiner Identität verweigert, bleibt den “Experten” wenig übrig. Auch sie argumentieren damit, dass die Legalprognose stark belastet sei, da “er sich weiterhin stark und aktiv mit seiner Ideologie auseinandersetzt und in Kontakt mit entsprechenden Genossen steht”, was “seine Aussagen wie seine Vernetzung in die Szene zeigen”. Zusammengefasst: “Es hat sich gezeigt, dass MC’s Einstellungen verfestigt sind und die Freiheitsstrafen kaum einen Veränderungsprozess anstossen konnten.”
Der Bericht formuliert Massnahmen, die eine Lockerung des Vollzugs wahrscheinlicher machen würden. Allerdings sind die Massnahmen nicht hinnehmbar. So wird unter anderem gefordert, dass Marco sich in Zusammenarbeit mit dem Strafvollzug ein neues soziales Umfeld aufzubauen habe – ein kompletter Bruch mit Genossinnen und Genossen wird also verlangt:
– “Kontrolle auf Hinweise für Kontakte zu gewaltbereiten Gesinnungsgenossen.”
– “Dass sich MC dazu bereit erklärt, Kontrollen bezüglich seiner Aktivitäten zuzulassen und sich mit der Justiz auf gemeinsame Ziele bezüglich der Resozialisierung einigen kann”
Marco Camenisch wird aufgrund seiner politischen Identität nicht freigelassen. 2018 steht sein Strafende bevor. Bis dorthin findet jährlich eine Überprüfung statt, ob an eine Freilassung auf Bewährung zu denken sei. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie dabei immer und immer wieder auf seine Identität zu sprechen kommen und so jede Lockerung verhindern.
Wir denken, dass es gerade jetzt wichtig ist, sich zu Marco zu verhalten. Verbinden wir unseren vielfältigen Kampf draussen mit seinem Kampf drinnen!
INTERNATIONALE AKTIONSTAGE MIT MARCO CAMENISCH – 20. – 22. JUNI 2015
Rote Hilfe Schweiz – www.rotehilfech.noblogs.org
Rote Hilfe International – www.rhi-sri.org
Mehr zu und von Marco Camenisch:
http://rotehilfech.noblogs.org/post/tag/marco-camenisch/ (en / dt)
https://www.youtube.com/watch?v=iK1isWg0r3o (fr / en / dt / it / gr)