Dortmund: Gedanken zur Repression gegen die Avanti Bewegung

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Die Bewegung für ein Soziales Zentrum Avanti sieht sich starker Repression ausgesetzt. Bisher veröffentlichte Stellungnahmen zu der Repression gingen nicht in die Tiefe, sondern kratzten an der Oberfläche der Geschehnisse. Im Folgenden versuchen wir, tiefer zu gehen und inhaltlich ausführlicher unsere Standpunkte in Bezug auf das Geschehene, die Angriffe gegen Avanti und die Logik, die hinter diesen Angriffen steht, zu erläutern.

„Kannst du das mitansehen?“

Wie bekannt sein dürfte, war die im Sozialen Zentrum stattgefundene Razzia aufgrund des Tatvorwurfes des versuchten Mordes am 23. August ein Vorwand der Polizei und Staatsanwaltschaft, um das Haus räumen zu können. Die Argumentation, es ginge um Spurensicherung und Feststellung von „Mörder*innen“ ist selbst aus polizeilicher Sicht nicht haltbar, sechs Tage nach den Vorkommnissen in einem Haus, in dem hunderte Menschen ein- und ausgingen. Das Avanti musste weg, weil es erfolgreich die Logik der Eigentumsverhältnisse in Frage gestellt und angegriffen hat. Es liegt also nahe, dass die Polizei auf einen Anlass, das Haus zu räumen, dringlichst gewartet hat und, wie bereits bei vergangenen Hausbesetzungen, bereit war, diese Anlässe notfalls fadenscheinig zu konstruieren. Dass ihr dies so lange Zeit nicht möglich war, da der Eigentümer die Besetzung duldete und von einer Strafanzeige absah, war das Schlimmste, was aus Sicht der Polizei und der ihr verbundenen Interessenverbände hätte passieren können. So konnte eine dem Gesetz nach nicht legale Handlung, also das Nutzen „fremden Eigentums“, nicht bestraft werden. Für die Polizei war dabei sehr unangenehm, nicht zu wissen, wer diese „Straftäter*innen“ sind. Da es bis zum Zeitpunkt der Räumung keine einzige Personalienfeststellung gab, war der Wunsch, festzustellen, welche Genoss*innen und Strukturen im Haus agierten, ein weiterer Grund, das Haus zu räumen.

„Open your eyes, time to wake up!“

Dass die Faschist*innen am 23. August trotz besseren Wissens der Polizei ohne Information an Anwohner*innen und Besetzer*innen anfangs fast ohne Polizeibegleitung vor das Soziale Zentrum gelassen wurden, kann durchaus als bewusster strategischer Schachzug der Polizei verstanden werden. Bewiesen ist, dass der Staat und seine Organe faschistische Strukturen mit aufbauen wie beispielsweise beim Nationalsozialistischen Untergrund. Dies geschieht in der Regel über die V-Leute-Struktur des Verfassungsschutzes in Nazi-Strukturen. In diesem Fall wurden die Faschist*innen dazu benutzt, eine Eskalation vor dem Sozialen Zentrum zu erzeugen, um Angriffspunkte für ein Vorgehen gegen das bis dahin reibungslos verlaufende Projekt bieten zu können. Auch während der aktuellen Ermittlungen helfen die lokalen Faschist*innen fleißig mit, die entsprechenden Steckbriefe der Polizei auszudrucken und zu verteilen. Vor allem online beteiligen sie sich eifrig an der Verbreitung der Fahndungsfotos der Polizei und setzen eigenständige Kopfgelder auf die Ermittlung der vermeintlichen Täter*innen aus. Natürlich ist es extrem unwahrscheinlich, dass Faschist*innen und Polizei hier ein gezieltes strategisches gemeinsames Vorgehen abgestimmt haben. Indirekt aber haben Repressionsorgane und Faschist*innen in diesem Fall voneinander profitiert und sich gegenseitig für ihre Zwecke benutzt.

Die Polizei als eigenständiger politischer Akteur?

Das bestärkt die These, dass die Polizei in Dortmund wiederholt als eigenständiger politischer Akteur auf den Plan getreten ist. Wichtig ist aber auch, dass sie niemals komplett losgelöst von anderen Institutionen agiert und deshalb Polizei, Knäste, Gerichte, Gesetze, Eigentumslogik usw. nicht voneinander zu trennen sind. Wenn die Polizei agiert und uns angreift, kann sie das tun, weil sie mit dem Gesetz und dem Knast drohen kann. Sie kann es tun, weil die Vorstellung von Eigentum in den Köpfen der meisten Menschen existent ist und viele von ihnen Repression gegen Besetzer*innen gut finden – oder ihr zumindest passiv gegenüberstehen. All diese Herrschaftsmechanismen und Institutionen sind letztendlich dazu da, die Passivität und Autoritätsgläubigkeit der Masse aufrecht zu erhalten. Diese Passivität ist aber auch genauso in weiten Teilen der Linksradikalen im deutschprachigen Raum zu beobachten. Auch Dortmund kann sich davon nicht frei sprechen; die letzte ernstgemeinte Besetzung ist über 20 Jahre her*. Hausbesetzungen galten vielen als unmöglich, subversive Aktionen, die Grenzen und Regeln brechen, sind die absolute Ausnahme. Aber genau dies wurde gezeigt: Es ist möglich, dass wir uns ein Haus nehmen, auch wenn der Staat es verbietet! Auch wenn der Staat uns mit seinen repressiven Möglichkeiten 1000fach überlegen ist: Wir sind in der Lage, diese Aktionsform zu nutzen, wenn wir es wollen! Genau diese Mobilisierung, die auch über Dortmund hinaus im Gange ist – das versuchte kollektive Brechen mit dem Staat im Kopf – soll mit aller Härte verhindert und beendet werden. Es soll bei diesem kleinen, versuchten Ausbruch bleiben, der später als „Jugendsünde“ abgetan werden kann. Aber das werden wir nicht zulassen, denn wir sehen klar und deutlich, dass:

Es ums Ganze geht!

Der Kapitalismus trägt die Verantwortung dafür, dass viele Menschen kein Dach über dem Kopf haben. Dafür, dass alle Bereiche des Lebens nach Gewinnmaximierung genormt sind und wir so keinen Raum für unkommerzielles Leben, Lieben und Lernen haben. Dafür, dass ein ganzes Viertel wie die Nordstadt vor allem nach rassistischen Gesichtspunkten kriminalisiert wird. Uns geht es aber darum, unsere Leben selbst zu gestalten und für die Probleme unseres Viertels eigene Lösungen zu finden, ohne auf das Bestehende zu vertrauen. Es geht nicht um eine andere Regierung, ein paar Reformen, die unser Leben leichter machen und angenehmer gestalten oder gar nur einen Raum, wo wir für uns, isoliert, unser Ding durchziehen können. Uns geht es darum, diese Welt zu verändern. Unsere Aktionen und Hoffnungen auf einen Raum, in dem wir uns entfalten können, sind nur der Anfang eines Kampfes für Herrschaftsfreiheit in allen Lebensbereichen!

Der Angriff gegen wenige ist ein Angriff auf uns alle!

Deshalb ist klar, dass die Angriffe auf die Avanti Bewegung weiter gehen werden. Deshalb ist klar, dass wir auf unsere eigene Kraft vertrauen müssen, obwohl es Unterstützung für ein Soziales Zentrum in Teilen zivilgesellschaftlicher Strukturen/Organisationen gibt. Und dass diese Unterstützung uns nicht vor Repression schützt, dürfte mittlerweile auch klar sein. Das darf uns aber nicht davon abhalten, dafür zu kämpfen, wofür wir stehen.

Einige Anarchist*innen

*Februar 1993 wird von der „Initiative Gefangenenarbeit e. V.“ die Speicherstraße 51/53 besetzt mit der Forderung an die Stadt „ein Haus für die Gefangenen“ bereitzustellen. (hxxp://www.mao-projekt.de/BRD/NRW/ARN/Dortmund_Hausbesetzungen_03.shtml)

Mehr zu Avanti unter: http://avantizentrum.noblogs.org/