Eine kritische Betrachtung von Der Kommende Aufstand
Einige Worte im Voraus uber die Motivation und Absichten
der Übersetzer…
Politik heißt nicht nur Delegation, Mediation und Spezialisierung, sondern auch Verleumdung, das Lästern und schlecht Reden auf Grund von Oberflächlichkeiten und die Kunst, die eigene Ideologie so auf dem Silbertablett präsentieren zu können um die Konkurrenz auszustechen. Nicht, dass wir Anhänger einer Ideologie oder eines fixen und statischen Theoriegebildes wären, im Gegenteil, aber für uns ist der Aufstand etwas dem Anarchismus inhärentes und diese Tatsache – ob sie uns nun zu Insurrektionalisten, aufständischen Anarchisten oder was auch immer macht, sei dahingestellt – und der Eindruck, dass sogar im deutschsprachigen Raum diese alte und verstaubt geglaubte Idee aufflammen zu scheint, dass es keine Trennung zwischen Theorie und Praxis gibt und der generalisierte und zerstörerische Aufstand, sowohl individuell als auch kollektiv, somit eine Notwendigkeit ist, wenn es einem darum geht jeglicher Autorität den Gar aus zu machen, scheint eine Menge Linker, Syndikalisten und andere Wichtigtuer derart zu provozieren und zu beunruhigen, dass ihre in Sicherheit geglaubten politischen Ideologien, Tempel und Milizen gefährdet sein könnten, dass sie sich von Zeit zu Zeit veranlasst sehen, ihre Reliquien gegen diese kruden Anarchisten, denen diese vermeidlich schändliche aufständische Neigung anhaftet, zu verteidigen. Eigentlich sollte man sich einen Dreck um diese mit dem Polieren ihrer linken Heiligtümer beschäftigen Messdiener scheren um sich erst gar nicht auf einen ihrer politischen Pseudodiskurse einzulassen, denen immer die oben aufgeführten Charakteristiken anhängen werden. Gerade da diese Diskurse meist im virtuellen Raum geführt werden und man schon von Glück sprechen kann, wenn es ein Papier gewordenes institutionalisiertes Organ einer Gewerkschaft oder ähnliches ist, was einem meint diesmal ans Bein pissen zu müssen. Es ist das gleiche ritualisierte Spektakel bzw. Debakel, dass sich auf den Rednerpulten der Parteikongresse abspielt: Die Diskreditierung der Konkurrenz und die Beweihräucherung des eigenen Programms. Da uns nichts daran gelegen ist die politische Macht zu erobern, uns demokratischer Mittel zu bedienen oder in irgendeinem Konkurrenzverhältnis zu diesem Sumpf zu stehen, machen wir uns nicht die unfruchtbare Mühe, uns auf ihre oberflächlichen Betrachtungen und kleinkrämerischen Hahnenkämpfe einzulassen. Wenn sie einen missverstehen wollen, werden sie einen immer missverstehen können.
Aber wir wollen nicht um den heißen Brei herum reden: Die anscheinend inzwischen verbreitete Annahme den Bestseller Der kommende Aufstand für eine, wenn nicht die, ideologische Grundlage des aufständischen Anarchismus zu halten, schien uns zu dreist und verwirrt, um sie so im Raum stehen zu lassen. Also schien es uns angemessen diese scharfe Kritik Wolfi Landstreichers zu übersetzen um endlich einen Schlussstrich unter dieses Kapitel ziehen zu können. Es ist nicht so, dass es nicht längst eine Hand voll Kritiken gegeben hätte, die dies versucht hätten. Jedoch genügte dies anscheinend nicht um dieser Verwirrung auf theoretischer, praktischer und historischer Ebene ein Ende zu bereiten, die selbstredend für die unerträgliche Litanei der (deutschen) Linken ist. Anscheinend blendet das schriftstellerische Talent des Unsichtbaren Komitees seine Leserschaft derart, dass diese vergisst, dass irgendein inhaltsleeres Gefasel über den Aufstand einen noch lange nicht zum Anarchisten macht und sich das Komitee auch keineswegs dem Anarchismus nahe sieht.
Ergänzend sollte bemerkt werden, dass die hier veröffentlichte Kritik sich ausschließlich mit dem Buch Der kommende Aufstand befasst, dieser jedoch eigentlich nur ein Werbetrick für ein größeres ideologisches Projekt seiner Schreiber ist: Der kommende Aufstand ist im Prinzip nur ein ideologischer Werbegag für den Aufruf und seinen Vorschlag „die Partei aufzubauen“. Hier wird auch klar, wieso im kommenden Aufstand eine solche Anstrengung gemacht wird Individuen zu Fiktionen zu erklären: Weil eben das eigentliche Projekt dahinter ein autoritäres ist, eines, das Gehorsam verlangt, und Der kommende Aufstand nur ein Mittel ist um Anhänger für ihre Sekte zu sammeln. Dieses Projekt versucht die Rebellen mit dem Schein der Subversion einzufangen, ihnen aber das Bewusstsein und den Stolz der eigenen Individualität auszureden, um dann als einzige Erlösung mit einem einfachen Vorschlag dazustehen: Wir haben die perfekte Strategie, die besten Argumente, und du kannst Teil von uns (der Sekte, der (gar nicht mehr so) imaginären Partei) werden – einzige Anforderung: Gib dich auf für uns, verleugne dich selbst. Soweit, so altbekannt. Es ist die Logik jeder Sekte, zu jeder Zeit. Es ist die Logik der Religion, nicht umsonst ist die ideologisch-theologische Basis Tiqqun von Der kommende Aufstand und Aufruf nach dem kabbalistischen* Wort für Erlösung benannt. Dass die Religion, die uns hier angepriesen wird, eine aufständische ist, sollte uns nicht verwirren, es sollte uns nur bestärken in der Kritik an jeder Autorität und der Bestärkung der individuellen Autonomie gegenüber allem und jedem.
Dass die Tiqqun-Ideologie gestern wie heute neu verpackt wird und durch radikale Milieus geistert, zeigt wohl auch das Erscheinen und die Übersetzung von Hallo – Ein Gruß von Nirgendwo. Zehn Jahre nach dem Erscheinen des Aufrufs tauchte dieses kleine Pamphlet auf und beginnt ebenso wie Der kommende Aufstand und der Aufruf mit einer recht banalen Beschreibung alltäglicher Situation – in diesem Falle von kommunikativen bzw. nicht-kommunikativen Situationen. Nicht um davon ausgehend eine Analyse zu vertiefen, die versucht herauszufinden, wie und warum Mechanismen der Macht funktionieren und darauf aufbauend die Möglichkeit bietet herauszufinden, wie und wo diese angreifbar ist, nein, dies geschieht nur um eine recht generelle Skepsis gegenüber sozialem und politischem Leben im allgemeinen, einschließlich Moralismus, Politik und Repräsentation auszudrücken. In diesem Sinne artikuliert es schlicht ein generelles Unbehagen auf emotionaler Ebene gegenüber dem Bestehenden – ein Unbehagen, das man sicherlich nachempfinden kann und dessen Beschreibungen vielleicht sogar mitreißend sein können – welches allerdings nur dem Vorschlagen eines nicht weiter beschriebenen oder erklärten „commitments“ dient, dem wir uns verpflichten sollen. Ähnlich wie den anderen von der Tiqqun-Sekte und deren Umfeld beworbenen Produkten hängt dieser „Wahrheit, von der wir nicht ablassen“ und die uns zusammenschweißt und das Bilden von (irgendwelchen) Kommunen ermöglicht bzw. der „Partei“ bzw. diesem „commitment“ ein gewisser Mythos an, da wir eigentlich nicht so genau wissen, was eigentlich gemeint ist und uns nur gut zugeredet wird uns im Angesicht der momentanen Totalität der Scheiße diesem etwas zu verpflichten. Somit ist es an sich nur leeres Gerede, das einem in dem Versuch das Bestehende umzuwälzen recht wenig nützen wird. Und dabei sollten wir uns nicht davon beirren oder ködern lassen, dass diese eigentliche relative Inhaltsleere sich nun im Fall von „Hallo – Ein Gruß von nirgendwo“ einen individualistischen bzw. egoistischen Jargon aneignet, plötzlich anti-politisch präsentiert wird und dass wir mit den Autoren eine Ablehnung von Moral, Parlamentarismus, Repräsentation und sonstigem Schrott teilen mögen – denn das, was uns zu Kameraden machen würde, wäre das Austauschen, Teilen und Kennen von jeweiligen Analysen, Ideen und Perspektiven und nicht nur das Teilen eines gemeinsamen Unbehagens und das gemeinsame Ablehnen bestehender Werte. Das mag vielleicht genug sein um eine Partei, eine Kommune oder Sekte zu bilden, aber es wird nicht genug sein um als Individuum, das sich scheut seine Ideen und Motivationen hinter einem mythischen Schleier, gewandter Rhetorik oder höheren Kollektiven zu verstecken, herauszufinden, wer seine wahren Freunde und Feinde sind.
Herbst 2014