Stellungnahme zur aktuellen Berichterstattung über den LKA-Spitzeleinsatz des Ralf Gross’

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Mit großem Interesse haben wir die Medienberichterstattung über die Enttarnung der V-Person Ralf Gross, die sich in Zusammenhänge der Tierbefreiungsbewegung einschleichen konnte, verfolgt. Die breite – in der Tendenz kritische – Öffentlichkeit zu dem Thema hat uns gefreut und wir hoffen durch die Veröffentlichung tiefgreifendere Debatten angeregt zu haben.

 

Den­noch sind wir der Mei­nung, dass in den meis­ten Be­richt­er­stat­tun­gen der ei­gent­li­che Skan­dal bis­her lei­der ver­fehlt wurde. Nach Dar­stel­lung des NDRs, ist der Ein­satz von V-​Per­so­nen sonst „ein ganz le­gi­ti­mes Mit­tel der In­for­ma­ti­ons­ge­win­nung“ um „schwe­re Straf­ta­ten“ auf­zu­de­cken. 1

 

Nur Gross´ Auf­for­de­run­gen zu Straf­ta­ten sol­len einen Auf­schrei er­zeu­gen. Das ist es was viele der ak­tu­el­len Be­rich­te lenkt, denn hier wurde das Ge­setz über­schrit­ten und erst an die­sem Punkt wird der Ein­satz von Spit­zeln nach bür­ger­li­chen Ver­ständ­nis ver­werf­lich. In die­ser Logik wird die Be­wer­tung des Sach­ver­hal­tes den ge­setz­li­chen Nor­men über­las­sen, die an die Stel­le ei­ge­nen kri­ti­schen Den­kens tre­ten sol­len.

 

Was es aber be­deu­tet, wenn ein Po­li­zei­spit­zel in die Pri­vat­sphä­ren ein­zel­ner Men­schen ein­dringt und ob das le­gi­tim sein kann, wird nicht hin­ter­fragt. So eine ver­deck­te Nähe der Po­li­zei ist ein wi­der­li­cher Ein­griff in das all­täg­li­che Leben von Men­schen. Wür­den Sie wol­len, dass die Po­li­zei­be­hör­den sich auch nur in einen Mo­ment Ihres Le­bens, in ver­trau­te Mo­men­te, in die po­li­ti­sche Ar­beit oder in Freun­des­krei­se ein­schlei­chen und das ent­ste­hen­de Ver­trau­en für ihre In­ter­es­sen aus­nut­zen?

 

Die Kon­se­quenz aus dem Ein­satz von Ralf Gross soll, laut Po­li­tik und Me­di­en, le­dig­lich eine Re­for­mie­rung der Ein­satz­be­stim­mun­gen von V-​Leu­ten der Po­li­zei sein. Wir wol­len aber keine Re­for­men, die es wei­ter­hin er­mög­li­chen un­ge­fragt in unser Pri­vat­le­ben ein­zu­drin­gen, wir wol­len, dass die Be­schäf­tig­ten der Po­li­zei sich aus un­se­ren Leben her­aus­hal­ten und das ohne Kom­pro­mis­se. Der Po­li­zei­ap­pa­rat ist ein Teil der herr­schen­den Ord­nung, er schützt nicht ein frei­heit­li­ches Leben, son­dern das ka­pi­ta­lis­ti­sche und ge­walt­vol­le Sys­tem in dem wir leben.

 

Wer sagt, dass V-​Per­so­nen ein le­gi­ti­mes Mit­tel zur Auf­klä­rung ver­meint­li­cher Straf­ta­ten wären, soll­te sich zudem be­wusst ma­chen wel­che emo­tio­na­len Be­las­tun­gen und Un­si­cher­hei­ten bei be­spit­zel­ten Men­schen in Folge eines sol­chen Ein­sat­zes auf­kom­men kön­nen.

Zu­sätz­lich „kön­nen Spit­zel aus Dus­se­lig­keit etwas falsch ver­ste­hen, Leute ver­wech­seln und da­durch Falsch­mel­dun­gen pro­du­zie­ren. Sie kön­nen auch be­wusst und selbst­herr­lich Be­rich­te fri­sie­ren, die nie­mand rich­tig stel­len kann, weil er oder sie nie von ihnen er­fährt. Spit­zel kön­nen Per­so­nen, die sie nicht lei­den kön­nen, de­nun­zie­ren und sich für per­sön­li­che Ab­wei­sun­gen rä­chen.“2

 

Auf einen Ra­dio­bei­trag von NDR Info wol­len wir eben­falls ein­ge­hen. Dort wurde fol­gen­de Aus­sa­ge ge­tä­tigt: „ Die Braun­schwei­ger Grup­pe be­kennt sich zwar zu Blo­cka­de­ak­tio­nen, nicht aber zu Brand­stif­tung, denn Le­be­we­sen will man nicht ge­fähr­den.“

Wir dis­tan­zie­ren uns in­halt­lich nicht von den Brand­stif­tun­gen und wol­len klar stel­len, dass nach un­se­rem Er­kennt­nis­stand weder Huhn noch Mensch bei sol­chen Ak­tio­nen zu Scha­den ge­kom­men sind. Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass die­ses ein Re­sul­tat der ver­ant­wor­tungs­vol­len Durch­füh­rung oben ge­nann­ter Ak­tio­nen ist.
So steht in den Richt­li­ni­en der Ani­mal Li­be­ra­ti­on Front (ALF), in deren Namen sich zu zwei der An­schlä­ge be­kannt wurde,: „Alle not­wen­di­gen Vor­keh­run­gen müs­sen ge­trof­fen wer­den um durch Ak­tio­nen nicht Men­schen oder Tiere in Ge­fahr zu brin­gen.“ 3

 

Dar­über hin­aus möch­ten wir Stel­lung zu der Aus­sa­ge des NDR und an­de­rer Me­di­en neh­men, dass der Spit­zel Ralf Gross es „uns“ erst er­mög­licht habe, be­stimm­te Ak­tio­nen ef­fi­zi­ent durch­zu­füh­ren.4 Diese For­mu­lie­rung ist viel­leicht etwas ir­re­füh­rend. Wie wir ge­gen­über dem NDR schon mit­teil­ten war Gross na­tür­lich eine Hilfe, er war nütz­lich, sein Auto war nütz­lich, er war hilfs­be­reit, aber auch ohne ihn wären be­stimm­te Ak­tio­nen na­tür­lich ef­fek­tiv ge­we­sen. Er war wie jeder an­de­re Mensch ein Teil der Ak­ti­on, er war nicht her­aus­ra­gen­der, un­ver­zicht­ba­rer Be­stand­teil, ohne den alle Ak­tio­nen nur in­ef­fi­zi­en­te Ne­bel­schwa­den in der Wi­der­stands­land­schaft ge­we­sen wären.

 

Für eine kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit dem LKA-​Spit­zel Ralf Gross ist es not­wen­dig, die po­li­ti­schen Hin­ter­grün­de des ge­sell­schaft­li­chen Kon­flik­tes um Tier­fa­bri­ken zu be­leuch­ten. Zum Schluss möch­ten wir an die­ser Stel­le noch ein­mal un­se­re grund­sätz­li­che Kri­tik an dem Sys­tem der Mast- und Schlacht­fa­bri­ken be­to­nen, die wir als Re­sul­tat und not­wen­di­gen Teil ka­pi­ta­lis­ti­scher Pro­duk­ti­ons­wei­sen und eines herr­schaft­li­chen Mensch-​Tier-​Ver­hält­nis­ses sehen. Ab­ge­schafft wer­den kann die­ses Übel nur durch eine grund­le­gen­de ge­sell­schaft­li­che Um­wäl­zung. Und genau das sol­len Leute wie Ralf Gross und seine Auf­trag­ge­ber_in­nen ver­hin­dern.

 

Für die Be­frei­ung von Mensch und Tier.

 

Ei­ni­ge Ak­ti­ve der Wiet­ze/n Kam­pa­gne

 

Braun­schweig, den 03. Fe­bru­ar 2014

 

Kommt zur Demo gegen Über­wa­chung und Tier­fa­bri­ken!

In Han­no­ver
Am 8. Fe­bru­ar
13.​00 Uhr Am Stein­tor

 

Mehr Infos unter: antiindustryfarm.blogsport.de

 

1 NDR- Be­richt vom 26.​01.​2014 / www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ndr_aktuell/media/ndraktuell18919.html

2 Bro­schü­re: „Schö­ner leben ohne Spit­zel“ her­ras­ge­ge­ben von der ALB S 7

3 tierrechtsbewegung.​info / tierrechtsbewegung.info/aktivismus/alf/

4 NDR Be­richt vom 27.​01.​2014 / ndr.de/regional/niedersachsen/vmann109.html

 

In­fo­ver­an­stal­tun­gen zur Spit­zel­ent­tar­nung und Hin­ter­gün­de der Witze/n Kam­pa­gne

03. Fe­bru­ar, 20 Uhr
UJZ Korn­stra­ße in Hannover

 

04.​Februar, 21.​30 Uhr
Juzi Göt­tin­gen

 

06.​Februar, 20 Uhr
Nexus, in Braun­schweig

15. Fe­bru­ar in Ham­burg im Cafe Knall­hart im Rah­men der Tier­be­frei­ungs-​Vo­kü.

Essen ab 19 Uhr, Vor­trag ab 19:30.

 

An­kün­di­gungs­text:
Spit­zel ent­tarnt!
Ende 2013 wurde der Spit­zel Ralf Gross ent­tarnt. Ein­ein­halb Jahre war er un­der­co­ver in Tier­be­frei­ungs-​ und an­de­ren lin­ken Zu­sam­men­hän­gen un­ter­wegs. Seit dem 26.1. ist es nun öf­fent­lich.
In einer In­fo­ver­an­stal­tung wol­len wir euch vor­stel­len, wie Ralf in die Szene kam, wie er sich ver­hal­ten hat und wie er letzt­end­lich ge­ou­tet wurde. Zudem wol­len wir kurz die Kam­pa­gnen vor­stel­len, in die er sich ein­ge­schli­chen hat, und ge­mein­sam ver­su­chen ein Fazit aus dem Fall Gross zu zie­hen. „Wie kön­nen sich Zu­sam­men­hän­ge davor schüt­zen?“ – eine wich­ti­ge Frage, die wir ge­mein­sam dis­ku­tie­ren wol­len. Dabei wol­len wir auch einen Blick in die Me­di­en und ihre Re­ak­ti­on auf die Ent­tar­nung wer­fen. Spit­zel hat es schon immer in der Lin­ken ge­ge­ben und wird es ver­mut­lich immer wie­der geben. Um uns davor zu schüt­zen, soll­ten wir nach sol­chen Fäl­len einen mög­lichst brei­ten Aus­tausch schaf­fen.

 

Die Ver­an­stal­tung ma­chen Ak­ti­vis­t_in­nen der Wiet­ze/n-​Kam­pa­gne, die selbst vom Spit­zel­fall be­trof­fen waren.

Falls ihr auch an an­de­ren Orten eine Ver­an­stal­tung haben möch­tet, oder – noch bes­ser – selbst eine or­ga­ni­sie­ren wollt , schreibt die Info bzw. na­tür­lich auch bei allen Fra­gen dies­be­züg­lich ein­fach an aif[ät]riseup.​net.